Nachrichten Ratsfraktion
Haushaltsrede 2020 der Fraktionsvorsitzenden Martina Thomas
Haushaltsrede 2020 Die Linke im Rat der Stadt Hürth am 18.02.2020
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Unser Dank gilt, wie in jedem Jahr dem Kämmerer und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kämmerei.
Auch im Jahr 2020 sieht der Haushalt für die Hürther Bürger*innen keine spürbaren Verbesserungen vor. Dabei besteht offensichtlich Handlungsbedarf: an vielen Orten in Deutschland kann man einen offensichtlichen Rechtsruck beobachten.
Hier in Hürth, wie auch andernorts, tun die Mehrheitsparteien nichts dafür, dass Personen, die aus den unterschiedlichsten Gründen über weniger Geld verfügen zufriedener und sorgenfreier Leben können. Viele wenden sich auch deshalb von den Regierenden unserer Stadt ab.
Und warum?
Der Armutsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bezeichnet Menschen, denen nur 60 % oder weniger des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen, als arm. Diese Grenze lag für Alleinstehende 2018 bei 1035,- Euro. Damit ist quasi Jeder von Armut bedroht, der nur den Mindestlohn bekommt und mit einer 40 Stunden-Stelle nur knapp 1.500,- brutto verdient.
„Armut lässt sich nicht skandalisieren, Armut ist der Skandal!“ So der renommierte Professor Christopher Butterwegge.
In Deutschland gelten kinderreiche Familien, Geringverdiener, Menschen ohne Arbeit, Migranten*innen und erschreckender Weise zunehmend Rentner und Rentnerinnen als armutsgefährdet.
Laut Antwort des Bundestags auf eine Anfrage der Linksfraktion sind unter den von Armut bedrohten Personen
- 25,4% Erwerbstätige,
- 23 % Rentnerinnen und Rentner,
- rund 21% Kinder und Jugendliche
Hinzu kommen 24,2 % Auszubildende, Studierende, sowie Arbeitsunfähige oder Personen, die in Fort- und Weiterbildung sind.
Nur 6,7% der von Armut bedrohten Menschen in Deutschland sind Erwerbslose!
Und wie hoch ist die Dunkelziffer?
Wieviele Menschen stellen aus Scham keine Anträge oder leben als verdeckte Wohnungslose als Gäste in fremden Haushalten? Sie tauchen in keiner Statistik auf!
In Hürth haben im Juni 2018 rund 6.800 Anspruchsberechtigte SGB II, SGB XII oder Wohngeld bezogen. Davon waren 1.392 Unter-18 Jährige!
Nicht mal das Nötigste: In Hürth fehlt bezahlbarer Wohnraum
Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen in Hürth sank 2018 und wird auch 2020 weiter sinken. Gegen die Wohnungsnot kinderreicher Familien und verwitweter Rentner*innen unternimmt die Stadt unter der Regierung von CDU und Grünen rein gar nichts.
Derzeit gibt es in unserer Stadt noch 1319 Wohnungen mit Belegungsbindung. In diesem Jahr reduziert sich die Zahl nochmals deutlich um 175 Wohnungen, alleine in Hermülheim. Das heißt, dass die bisherigen Mieter die Miete oft nicht mehr zahlen können. Aber es ist grausam, wenn Kinder aus dem gewohnten Umfeld gerissen werden oder ältere Hürther*innen die Wohnung verlassen müssen und in Hürth keinen bezahlbaren Ersatz finden können.
762 Wohnungssuchende standen 2018 auf der Warteliste für öffentlich geförderte Wohnungen!
Jeder weiß, dass Kinder- und Altersarmut ein immer größeres Problem sind und gerade diese Gruppen auf öffentlich geförderten Wohnungen angewiesen sind. Aber Hürth baut öffentlich geförderte Wohnungen ab.
Lieber möchte man Wohlhabende zum Zuzug in teure Einfamilienhäuser bewegen. Davon verspricht man sich mehr Steuereinnahmen als von armen Schluckern.
Die Stadt hat lange genug geschlafen, wenn es um die Schaffung bezahlbaren Wohnens geht. Wir müssen jetzt Geld zur Seite legen, um in Zukunft mit dem Instrument einer eigenen kommunale Wohnungsbaugesellschaft in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Es braucht die nötigen Mittel zur Planung einer Gesellschaft und zum Ankauf und Vorbereitung geeigneter Grundstücke.
Denn Wohnen ist laut Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein unveräußerliches Menschenrecht!
Statt dessen verscherbelt die Stadt Hürth auch noch ihr Tafelsilber. Größere Grundstücke werden fast ausschließlich an Investoren verkauft. Bauunternehmen haben hier seit Jahren regelmäßig Zuschläge erhalten und bauen munter teure Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen. Das kann so nicht weiter gehen! Einige Wenige werden so zu Millionären, während die Entfaltungsmöglichkeiten der überwiegenden Menge der Hürtherinnen und Hürther immer kleiner werden.
Wir begrüßen deshalb die Entscheidung Gewerbeflächen zukünftig in Erbpacht zu überlassen. Diese Regelung sollte, wie von uns beantragt, auch für den Wohnungsbau gelten.
So ist es im übrigen ohnehin im Sozialwohnraumkonzept der Stadt Hürth unter Punkt 5.5 aus dem Jahr 2017 vorgesehen. Es wird nur nicht umgesetzt!
Wenn dem Trend der Privatisierung städtischer Grundstücke nichts entgegengesetzt wird, wird die Stadt bald überhaupt keine Grundstücke mehr haben! Sollte dann einmal der Gedanke einsetzen, dass Wohnungsgenossenschaften und öffentlich geförderte Wohnungen nützlich für den sozialen Frieden und Zusammenhalt sind, wird es an Ressourcen mangeln diese Ideen umzusetzen. Oder Grundstücke müssen dann für ein Vielfaches zurückgekauft werden, wie es kürzlich in Berlin geschehen ist.
Unbefriedigender Haushaltsplan
DIE LINKE hat sich intensiv mit dem Haushaltsplan auseinandergesetzt. CDU und Grüne haben die Steuereinnahmen großzügig verteilt. Anderseits werden Sozialprojekte wie zum Beispiel die Ausweitung der Vergünstigungen für Kinder mit Hürth Pass oder die Unterstützung des Familienbüros Gustav im Haushalt nicht berücksichtigt.
Der größte Hammer: Für öffentlich geförderten Wohnraum hat die Stadt genau 0,- Euro in den Haushalt eingestellt.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wegen schlecht ausgearbeiteter Verträge Bauprojekte zukünftige Haushalte mit Millionen belasten werden! Der Grund dafür liegt auch in der vorsätzlich herbeigeführten Personalknappheit – unter der im übrigen auch Bürgerinnen und Bürger leiden, denen lange Bearbeitungszeiten zugemutet werden.
Prekäres Leben ist in Hürth hausgemacht: das Ersetzen festangestellter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Musikschule durch Honorarkräfte ist für uns nicht hinnehmbar. Die Einsparungen beim städtischen Personal müssen beendet werden! Prekäre Beschäftigung, Auslagerung, Befristungen in der Stadtverwaltung und ihren Gesellschaften müssen ein Ende haben.
Die Beschäftigten der Stadt leiden unter der Arbeitsverdichtung. Die Stadt muss dringend mehr Arbeitsplätze schaffen, um die Angestellten zu entlasten.
DIE LINKE kämpft seit Jahren gegen Arbeitsüberlastung von Arbeitnehmer*innen, die öffentliche Verwaltung sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Folgekosten durch Burn-Out und andere Belastungskrankheiten kommen die Allgemeinheit langfristig viel teurer zu stehen!
Aber unser Stellenplan ist wieder nicht zukunftsfest aufgestellt! Viele Mitarbeiter*innen werden in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Verwaltung muss sich auf diese Entwicklung einstellen, indem sie Verwaltungsberufe für kommende Generationen zugänglich und attraktiver macht.
Als LINKE fordern wir daher einen Zukunftsplan für die Verwaltung der attraktive Ausbildungsplätze schafft und so Überlastung verhindert und die Verwaltungsdienstleistungen aufrecht erhält.
Solange es pauschale Personaleinsparungsmaßnahmen gibt, solange befristete Verträge vergeben werden, keine öffentlich geförderten Wohnungen gebaut werden, wird unsere Fraktion dem Haushalt und Stellenplan nicht zustimmen!
Erlauben Sie bitte noch eine Anmerkung, bevor ich den Platz räume. Im September 2020 stehen die nächsten Kommunalwahlen an.
Unseres Erachtens werden Klimawandel und mangelnde soziale Gerechtigkeit die wichtigsten Themen sein. Wer glaubt, diese Themen ignorieren zu können und auf ein „Weiter so!“ setzt, öffnet den Raum für soziale Spannungen.
Nur mit überzeugenden Antworten zur Lösung der aktuellen Probleme werden wir gemeinsam den Einfluss der Rechten in Hürth entgegentreten können. Die Hürther Bürger*innen haben mehrfach bewiesen wie „bunt“ es bei uns ist. Dafür: herzlichen Dank!
Martina Thomas
Fraktionsvorsitzende Die Linke im Rat der Stadt Hürth