TTIP - Ist es wirklich notwendig

Adiran Scholten

Das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), welches schon seid 2013 verhandelt wird, ist mit dem Leak von Verhandlungspapieren durch Greenpeace wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Das dieses TTIP was mit Chlor-Hühnchen, Gen-Mais und geheimen Schiedsgerichten zu tun hat und irgendwie wohl schlecht für die breite Bevölkerung ist, ist mittlerweile zu Allgemeinwissen geworden. Doch für eine fundierte Diskussion fehlte es an Informationen. Bis Jetzt!


Link zum original TTIP-Leak: https://ttip-leaks.org/


Nun haben wir Gewissheit über schon lange Vermutetes und die „Verschwörungstheorie“ wird zur Tatsache. Der allgemeine Tonus aus der Öffentlichkeit, sei es NGO, kritische Presse, Wissenschaft oder Opposition, lautet: Es ist fast genau so schlimm wie man dachte. Nun gut. Jetzt wissen wir was uns erwartet und das wohl, trotzt großer Differenzen zwischen EU und den USA und nicht zu Letzt der eigenen Bevölkerung, TTIP nach Willen der Regierungen und Nutznießer kommen wird. Hierzu lohnt sich ein Blick in die Presseerklärungen von Bundeskanzlerin Angel Merkel zum Leak (Siehe: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ttip-angela-merkel-will-abkommen-schnell-abschliessen-a-1090396.html). Es liegt also wiedermal in den Händen der Bevölkerung und damit an uns die Dinge zu richten, auf die Straße zu gehen und das Abkommen Geschichte werden zu lassen.


TTIP ist also offenbar bösartig. Doch was ist mit anderen Freihandelsabkommen, welch sich in der Verhandlung befinden? Sind die auch bösartig und wenn ja sind vielleicht alle Freihandelsabkommen bösartig? Um es kurz zu machen nicht unbedingt, da sie weiter zur Standardisierung beitragen und damit Kosten senken. Doch damit beginnen auch schon die Probleme, denn die Standards, auf welche man sich einigt, sind auf lange Sicht der kleinste gemeinsame Nenner und nicht das Beste aus allen beteiligten Systemen. Dies ist ganz einfach dadurch zu erklären, das man sich in der Summe immer auf das einigt, welches am leichtesten umzusetzen ist, also am wenigsten Widerstand im politischen System hervor ruft. Ergo können wir uns dank fallender Verbraucherschutzstandards bald auf so leckere Dinge wie Hormonfleisch und dem allseits beliebten Chlor-Hühnchen freuen und müssen nicht mehr unseres, mit Penizillin gedoptes und unter meschen-/tier-unwürdigen Bedingungen erzeugtes Billigfleisch konsumieren (Quelle: http://www.heute-show.de/zdf/artikel/135050/mehr-zur-sendung-vom-06-05-2016-gammelfleisch.html ). Den Sarkasmus bei Seite, denn der wohl wesentlich wichtigerer Standard, welcher durch Freihandelsabkommen wie TTIP, hier insbesondere die enthaltenen Schiedsgerichte, gesenkt bzw. abgeschafft wird ist die Demokratie. Schon im Grundgesetz steht „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“(Quelle: Grundgesetz der BRD Artikel 20, Absatz 2), womit das Staatsvolk der Souverän ist. Die Regierung als gewählte Vertreter des Souveräns kann aber unter einem Schiedsgericht wie bei TTIP keine neuen Gesetzte machen ohne Rücksicht auf dieses und deren Urteile zu nehmen. De facto kommt das einer Einschränkung dieses Artikels gleich.


All dieser Nachteile zu trotz gibt es ein paar Unbelehrbare, welche nun anführen, dass das alles doch nicht so schlimm sei und das man doch ein hohes Wirtschaftswachstum und damit mehr Arbeitsplätze zu erwarten hätte. Auch diesem Argument kann man nur entgegen rufen: Blödsinn!! Das dies nicht der Fall ist kann man schon an den Studien zu TTIP der Pro-TTIP-Fraktion sehen, welche ein Gesamtwachstum von 0,39 bis 2,2% vorsehen (Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-11/ttip-freihandelsabkommen-arbeitsplaetze ). Das ist ein schlechter Witz. Hinzu zu dem geringen Wachstum kommt die Verschlechterung der sozialen Lage in allen Staaten. Dies wird besonders deutlich an dem schon seit 1990 in Kraft getretene Freihandelsabkommen NAFTA (North American Free Trade Agreement), welches zwischen Kanada, Mexiko und den USA besteht und einen Einblick in die Zukunft mit TTIP ermöglicht. Auch damals versprach man große Gewinne für Staat und Volk, doch davon ist nicht viel geblieben. Die örtlichen Kleinbauern in Mexiko (700$ Subvention pro Jahr) wurden gnadenlos durch die hochsubventionierten Dumpingpreise der USA (21000$ Subvention pro Jahr) in den Ruin getrieben (Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/wirtschaftsbeziehungen-20-jahre-nafta-das-netz-des-geldes/11082792.html ). Die Folgen daraus sind eine enorme Abhängigkeit Mexikos von Nahrungsimporten, die bei Reis und Weizen 70% bzw. 60% ausmachen. Des weiteren haben die betroffenen Bauern ihr Land an die einzigen noch verbleibenden Unternehmen im Agrarsektor verkauft; Internationale Großkonzerne. Die so der Lebensgrundlage Beraubten haben Arbeit in der durch NAFTA forcierten Zulieferindustrie, welche zuvor aus den USA abgewandert ist, gesucht. Dies entspricht also nur einer Transformation eines gut bezahlten US-Jobs in einen schlecht bezahlten mexikanischen Job und es sind also unterm Strich kaum neue Jobs entstanden. Durch das fehlen eines funktionierenden Sozialstaats in Mexiko und USA kommt es zu einer weiteren Zuspitzung der sozialen Lage. Die Bauern, welche keinen Job in der Industrie fanden haben sich entweder dem einzigen weiteren Arbeitgeber zugewannt - der organisierten Kriminalität – oder sind als unterbezahlte Tagelöhner zu meist ohne Papiere in die USA immigriert. Die Zahlen dazu haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. So wurde die Globalisierung durch NAFTA direkt zu einem Problem der USA, welchem man wiedermal mit dem reaktionären Reflex eines Zaunbaus begegnete. Ähnliche Szenarien haben sich auch in anderen Branchen aller beteiligter Länder abgespielt. Da meistens Großkonzerne die unter Druck geratenen kleineren Unternehmen aufkauften und so die Gewinne aus der Wirtschaft in immer weniger Taschen fliesen, ging die Schere zwischen Arm und Reich zusehends weiter auseinander. So stagnierten die Löhne trotz Wirtschaftswachstum, was einer Enteignung der Mittelschicht jener Länder gleich kommt (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nordamerikanisches_Freihandelsabkommen#cite_note-5 ). Die Arbeitsbedingungen haben sich ebenfalls stark verschlechtert. Das Kapital gewinnt, die Menschen verlieren. Hier wird die Notwendigkeit einer Zollmauer zum Schutz der heimischen Wirtschaft und zur Abschöpfung eines Teils der Konzerngewinne für staatliche Aufgaben überdeutlich.

Ohne einen ökonomischen und sozialen Ausgleichsmechanismus zwischen den unterschiedlich starken Wirtschaftsräumen kommt es zu Zerwürfnissen in Gesellschaft und Wirtschaft. So ist ein Freihandelsabkommen nur möglich, wenn entweder die beteiligten Staaten die zentralen Ressorts Wirtschaft und soziale Absicherung an ein übergeordnetes, durch das Volk kontrolliertes Organ abtreten. Oder die Triviale Lösung: ein Freihandelsabkommen zwischen den Staaten ohne wirtschaftlichem und sozialem Gefälle. Dies wiederum würde aber nur geringe Disharmonien beseitigen, was ein Freihandelsabkommen unnötig macht. Daraus ergibt sich die Erkenntnis: wirtschaftliche Zusammenarbeit – Ja -, ein genereller Freibrief für Großkonzerne zur Plünderung staatlicher und natürlicher Ressourcen – Nein.


Mit dem Leak haben wir endlich die Munition die wir brauchten. Nun liegt es an uns, dem Volk, dem neoliberalen Spuk ein Ende zu setzten. Klärt eure Mitmenschen über TTIP und dessen Reichweite auf. Vielleicht ist das die letzte Chance TTIP zu stoppen und zu beweisen, wer der Souverän in der Demokratie ist. Auf eine erfolgreichen Kampf.


Quellen: