DIE LINKE Hürth Osteraktion Berliner Platz Gegen TTIP

Was hat TTIP mit Hürth zu tun ?

Mit einem umfassenden Pakt wollen die EU und die USA eine transatlantische Freihandelszone schaffen. Angeblich soll mit dem Abkommen unter dem Namen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) vor allem der transatlantische Handel erleichtert werden. Die beteiligten Regierungen betonen die positiven Effekte, die das Abkommen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt haben soll. Dahinter verbergen sich jedoch schwerwiegende Folgen für Demokratie, soziale Rechte, Verbraucherschutz und Umweltstandards, wodurch das TTIP in alle Lebensbereiche eingreifen wird. Die streng geheimen TTIP-Verhandlungen werden von zahlreichen Organisationen kritisiert. Auch in Hürth regt sich Protest, denn das TTIP hat direkte und indirekte Auswirkungen auf das Leben vor Ort.

Das TTIP ist global und kommunal

Im TTIP geht es neben dem kommerziellen Warenhandel auch um den Handel mit Dienstleistungen. Damit geht es auch um öffentliche, kommunale Dienstleistungen, wie sie von der Stadt Hürth erbracht werden oder durch kommunale, private Unternehmen und Vereine sowie freie Träger erledigt werden. Das Handeln dieser lokalen Unternehmen wird mittelbar und unmittelbar durch TTIP beeinflusst werden. Das Abkommen wird direkt darauf einwirken, welche Leistungen zukünftig von einer Kommune wie Hürth erbracht werden können. So wird das zukünftige Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge erheblich beeinflusst, denn das Freihandelsabkommen kann die Kommunen zwingen, US-Unternehmen bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Die Entscheidungsfreiheit der demokratischen Gremien der Stadt Hürth wird durch das geplante Investitionsschutzverfahren voraussichtlich noch weiter eingeschränkt, da Schadensersatzklagen von Investoren drohen, wenn kommunale Entscheidungen ihre Gewinne gefährden.

Privatisierung kommunaler Dienstleistungen

Auch wenn sich das Handelsabkommen nicht explizit mit den Organisationsformen und -aufgaben der öffentlichen Verwaltung beschäftigt, werden sich die Inhalte des Abkommens auf die Freiheit der Kommunen auswirken, sich selbstständig zu organisieren. Diese Freiheit könnte durch eine Marktzugangsverpflichtung eingeschränkt werden, welche ausschließliche kommunale Dienstleistungserbringer unter sagt. Sie würden dann als illegitime Monopole gelten. Eine Marktzugangsverpflichtung könnte dazu führen, dass neben den kommunalen auch private Unternehmen bestimmte Aufgaben wahr-nehmen können müssen und Rechtsformeinschränkungen nicht zulässig sind. Insgesamt würden damit das verfassungsmäßig garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht und das Subsidiaritätsprinzip unterlaufen und zugleich die EU-Grundrechtecharta sowie die EU- Sozialcharta missachtet. Das Abkommen soll nicht nur Handelshemmnisse für Pharma, Chemie, Auto, Elektronik, Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Finanzdienste beseitigen, sondern umfasst viele öffentliche Dienstleistungen. Ein noch weiter verschärftes Spardiktat für den Hürther Haushalt würde zusätzliche Ausgliederungen, Privatisierungen und Deregulierungen forcieren. Nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Polizei, Militär, Rechtsprechung, Strafvollzug und ähnliches sollen von der Liberalisierung ausgenommen werden. Dagegen werden für die Kommunen relevante Handlungsbereiche wie etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz durch das Abkommen weiter liberalisiert und die dortigen Standards geschwächt und abgesenkt. Obwohl die Kommunen stark betroffen sind, dürfen sie über das TTIP nicht mit verhandeln, und es ist daher unwahrscheinlich, dass die Interessen einer Stadt wie Hürth ausreichend berücksichtigt werden.

Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge

Der Bayerische Städtetag kritisiert in einer Stellungnahme zum TTIP, dass der Privatisie- rungsdruck auf die Kommunen anwachsen wird. Er spricht sogar von einer „Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge“. Ein vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) beauf tragtes Gutachten stellt fest: Lokal oder national geltende Bestimmungen, dass die Ver sorgung mit Wasser nur über öffentliche Unternehmen vorgenommen wird, wären nicht mehr zulässig. Das könnte nicht nur den Gewässerschutz beeinträchtigen. Damit entfiele auch eine wichtige Einnahmequelle für den städtischen Haushalt Hürth's, und Gewinne am Lebensmittel Wasser würden privatisiert. Einer Deregulierung der Wasserversorgung wäre durch das TTIP Tür und Tor geöffnet, obwohl die Mehrheit der Hürther-innen eine solche Privatisierung zweifellos ablehnt. Der Städte- und Gemeindebund (StGB NRW) hält die Befürchtung einer möglichen Beeinträchtigung derWasserversorgung zwar für unbegründet, kann aber die Kritik des VKU aufgrund der strengen Geheimhaltung der TTIP-Verhandlungen nicht glaubwürdig ausräumen. Es wird immer noch verhandelt, und anders als vom StGB NRW behauptet stehen Daseinsvorsorge, öffentliche Dienst-leistungen sowie Wasser nicht auf einer Ausschlussliste (Negativliste) der zu verhandelnden Themen. Auch das von vielen Kommunen und Kreisen sowie Wasserverbänden unterstützte Fracking-Verbot bzw. -moratorium könnte durch das TTIP-Freihandelsabkommen verhindert werden. Auch die Position des kommunalen Verkehrsunternehmens Stadtbus könnte gefährdet werden, da im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) immer mehr private Anbieter auf den Markt drängen könnten. Selbst für die öffentliche Infrastruktur (Schulen, Abwasser- Kanäle, Straßenbau, Brücken, etc.) könnte sich der Privatisierungsdruck erhöhen. Die kommunale Personal- und Haushaltspolitik würde insgesamt negativ beeinflusst und auch die örtliche Arbeitsmarktpolitik und die lokale Wirtschaftsstruktur würden geschwächt werden. Die bäuerliche und regionale Landwirtschaft in der Umgebung Hürth's würde weiter erschwert und es könnte dazu kommen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen werden müssen.

Kultur, Sport und Soziales wird zur Ware!

Auch der Deutsche Städtetag befürchtet in seiner Stellungnahme zum TTIP Einschnitte für Städte, insbesondere für die nicht liberalisierten Bereiche wie Wasserversorgung und Abwasser, Abfall, ÖPNV, Soziales und Kultur. Bei größeren Investitionen oder Aufträgen ist die Stadt Hürth dazu verpflichtet Ausschreibungen vorzunehmen. Ökologische und soziale Kriterien spielen dabei in der Regel keine oder eine sehr untergeordnete Rolle, denn die Stadt muss bei gleichwertigen Angeboten den Auftrag an den billigsten Anbieter vergeben. Bei sozialen Dienstleistungen im Bereich von Kultur, Sport, Bildung, Beratungsangeboten und bei der Jugend- oder Sozialhilfe sind allerdings auch qualitative Kriterien bei der Auftragsvergabe akzeptiert. Daher gibt es in diesen Bereichen bisher nur selten Ausschreibungen. Durch das TTIP kann sich das ändern, denn auch in diesen Bereichen könnte es zu einer Ausschreibungsverpflichtung kommen. Diese Ausschreibungen würden dann nach wirtschaftlichen Kriterien und ohne besondere Berücksichtigung von regionalen, sozialen, kulturellen oder sonstigen Fragen geschehen. Das kann dazu beitragen, dass die Qualität sinkt und Mindeststandards ausgehebelt werden, da zusätzliche Kriterien als „Handelshemmnisse“ interpretiert werden könnten. Den Zuschlag bekommt im Zweifel dann nicht mehr das eigene öffentliche Unternehmen (Stadtwerke etc.), der Elternverein oder ein ortsansässiger Wohlfahrtsverband, sondern der für die Stadt billigste Anbieter. Dieses könnte letztendlich auch Auswirkungen auf das soziale Preis- und Gebührengefüge und die Bezahlbarkeit öffentlicher Dienstleistungen haben: Trotz angeblich billigster Auftragsvergabe könnten die Preise ansteigen. Es könnte auch dazu kommen, dass Zuschüsse für die Freie Kulturszene einen Verstoß gegen das Abkommen darstellen und Ausschreibungen vorgenommen werden müssen, wer die entsprechende „Dienstleistung“ erbringen darf. Gleiches könnte für die Zuschüsse der Stadt die Verträge über den Unterhalt und Betrieb öffentlicher Sportplätze durch lokale Sportvereine mit neuen Kunstrasenanlagen könnten auf den Prüfstand kommen. Die freihändige Vergabe von Vermarktungsrechte wären nicht mehr möglich, denn diese müsste in einer Ausschreibung auch US- amerikanischen Unternehmen zugänglich gemacht werden. Das TTIP wirkt sich damit auch auf ehrenamtliche Strukturen aus, die viele Aufgaben für unser Gemeinwesen übernommen haben. Auch die Zuschüsse für Vereine können von Investoren und Wettbewerbern als „Handelshemmnisse“ betrachtet werden und zu einer Klage führen.

Investitionsschutz senkt Standards

Das Freihandelsabkommen würde massiv in die kommunale Planungs- und Gestaltungshoheit eingreifen, denn das Verfahren zum Investitionsschutz im TTIP kann Kommunen wie Hürth in ihren Handlungsspielräumen einschränken. Gestaltungs- und Umweltauflagen in Bebauungsplänen oder Raumordnungsplänen, Ortsrecht, Ansiedlungsverbote, u.a.). Will die Stadt Umweltauflagen verschärfen (z.B. bei der Wasserentnahme, Wassereinleitung oder der Baumschutzsatzung) und macht damit ein Unternehmen unwirtschaftlicher, welches vorher Gewinne erwirtschaftet hatte, kann der Investor dies gemäß dem TTIP als mittelbare Enteignung auslegen und Schadensersatz fordern. Das juristische Verfahren Vattenfall gegen die Bundesrepublik, in dem 3,7 Milliarden Schadensersatz wegen der vorzeitigen Abschaltung von zwei AKWs gefordert werden, zeigt die Realitätsnähe dieses Szenarios. Die Forderung nach einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren wird einen Ausbau der Bürgerbeteiligung nicht nur erschweren, sondern kann sie ganz verhindern.

Ökonomisierung schränkt kommunale Spielräume ein.

Seit Jahrzehnten wird versucht, das Handeln von Verwaltung und Kommunen stärker zu ökonomisieren. Die EU hat mit ihrer „Angebots-orientierten Wettbewerbspolitik“ maßgeblich dazu beigetragen, eine unsoziale Ökonomisierung öffentlicher Aufgaben zu verankern. Besonders die deutsche Regierung hat das unterstützt und es wurden Gesetze, Richtlinien und Verordnungen geschaffen, die kommunale Spielräume weiter eingeschränkt haben. Auch in Hürth hat die Politik diese Forderungen umgesetzt - nicht nur durch Kürzungen bei den städtischen Beschäftigten, sondern auch, indem öffentliche Dienstleistungen und Aufgaben reduziert wurden. Gleichzeitig hat die Stadt kommunale Gebühren erhöht. Seit Jahren werden immer mehr öffentliche Aufgaben und Dienstleistungen von der Stadt ausgelagert und an Beteiligungsgesellschaften, freie und private Träger vergeben. Diese Dienstleister sind dann leider auch der demokratischen Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger noch stärker entzogen. Die öffentliche Kulturförderung beschränkt sich auf Prestigeprojekte und bleibt ansonsten marginal. Die Kürzungen tun den Rest. Mit dem TTIP werden alle diese Entwicklungen noch weiter verstärkt und können nicht mehr zurückgeholt werden. Denn was im TTIP einmal vertraglich vereinbart wurde, soll nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Es geht nicht nur um das TTIP,

...sondern auch um die Verhandlungen um das TiSA und CETA. Wir reden nicht nur über das berühmte Chlorhühnchen oder Hormonfleisch, sondern über eine Ideologie, in der alle das gesamte öffentliche Leben (Bildung, Kultur, Gesundheit ...) noch stärker privatisiert und ökonomisiert werden soll. Dieses geschieht auf allen Ebenen, global und kommunal. Wer gute und faire öffentliche Dienstleistungen möchte, muss den marktradikalen und unsozialen Konzepten auch in Hürth endlich wirksam entgegenwirken. Stattdessen benötigen wir Konzepte, die mehr gemeinschaftliches, öffentliches und transparentes kommunales Wirtschaften ermöglichen. Daher wird die DIE LINKE Hürth gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Hürth gegen TTIP, CETA und TiSA Kämpfen .